Historisches rund um die Gemeinde
"Der Bauer stund auf im Lande"
500 Jahre Deutscher Bauernkrieg
"Als Adam grub und Eva spann, wo war da der Edelmann?"
Unter anderem unter diesem Motto, das zuerst während des englischen Bauernaufstandes von 1381 aufkam, gab es im späten Mittelalter immer wieder Erhebungen von Bauern und unterprivilegierten Stadtbewohnern im Südwesten Deutschlands - gegen die zunehmende Ausbeutung der Landbevölkerung einerseits und die Beschneidung ihrer Rechte andererseits. Die Bauern trugen die ökonomische Hauptlast der als Feudalsystem bezeichneten mittelalterlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Viele von ihnen waren leibeigen oder zumindest gutsuntertänig und wurden durch unentgeltliche Frondienste für ihre Herrschaft (Adelige, Klöster oder Stadtoberhäupter) sowie durch den Zehnten (zehnter Teil der Ernte), der an die Kirche und die weltliche Obrigkeit zu zahlen war und andere Abgaben immer stärker belastet, da in einer wirtschaftlich ohnehin schwierigen Zeit immer mehr Personen in die Oberschichten aufstiegen, die Nutznießer der feudalen Abgabenordnung waren und auch die Kirche immer gieriger wurde. Zugleich wurden immer mehr traditionelle Rechte der Bauern wie etwa die Nutzung der Allmende (dörflicher Allgemeinbesitz, auf dem jeder z. B. Vieh weiden, Holz schlagen oder Fischen durfte) beschnitten oder abgeschafft. So gab es zwischen 1460 und 1517 im Schwäbischen, im Elsaß, im Breisgau, am Oberrhein und in anderen süddeutschen Gebieten immer wieder "Bundschuh"-Aufstände, bei denen die Bauern den einfachen bäuerlichen Schnürschuh als Symbol ihrer Bewegung auf der Fahne trugen. 1514 gab es außerdem in Württemberg eine Erhebung von Stadtbürgern und Bauern, deren Leitfigur der "Arme Konrad", Symbol des geknechteten einfachen Mannes, war, gegen ihre zunehmende Entrechtung durch die Politik des Herzogs. Höhepunkt und Ende dieser Aufstände war der "Große deutsche Bauernkrieg" der Jahre 1524 und 1525. Der Reformator Martin Luther spielte bei diesen Ereignissen eine unrühmliche Rolle.
Angesichts der Ausbeutung und Entrechtung erschien vielen Bauern die von den Obrigkeiten geübte Rechtspraxis als Widerspruch zum göttlichen Recht . Daher auch der Verweis auf Adam und Eva und den Ursprung der Menschheit, als es keine gesellschaftlichen Ungleichheiten gab. In diesem Gedankengut liegt also großes sozialrevolutionäres Potential. Die marxistisch geprägte Geschichtsschreibung der DDR sah daher in Bauernkrieg und Reformation Anfänge einer "frühbürgerlichen Revolution in Deutschland". Einem Großteil der Bauern jedoch dürfte es einzig um Abmilderung der erdrückenden Lasten und Wiederherstellung traditioneller "gerechter" Verhältnisse gegangen sein, ohne die Gesellschaftsordnung als solche in Frage zu stellen. Adel und Fürsten sahen aber genau diese bedroht.
Ausgehend von kleineren Erhebungen in Süddeutschland und Thüringen im Sommer und Herbst 1524 bildeten sich Anfang 1525 durch Zusammenschlüsse immer größere sogenannte Bauernhaufen, deren größte um die 12000 Mann stark waren - eine Übermacht, die den Adel und Klerus das Fürchten lehren konnte.
Bauernvertreter stellten im Februar und März 1525 in Memmingen die Zwölf Artikel auf, die wohl von dem Kürschner Sebastian Lotzer und dem Prediger Christoph Schappeler aufgeschrieben und gedruckt wurden, so dass sie weite Verbreitung fanden. Darin forderten die Bauern freie Pfarrerwahl, Abschaffung des Zehnten, Aufhebung der Leibeigenschaft, freie Jagd, Fischerei und Waldnutzung, weniger Frondienste und bessere Regelungen über Besitz, Abgaben und Strafen. Ihre Forderungen versuchten sie biblisch zu begründen und wollten auf alles verzichten, das dem Wort Gottes widerspreche. Damit sind die Zwölf Artikel nicht nur ein beeindruckendes Dokument bäuerlichen Selbstbewußtseins sondern schließen in ihrer bibelbegründeten Argumentation auch an die junge Reformationsbewegung an.
Neben Bauern bestanden die Haufen auch aus unzufriedenen Städtern, Bergknappen und wurden bald auch durch Landsknechte (Söldner) und sogar einzelne Niederadelige verstärkt, also Männer mit militärischer Ausbildung. Da auch der Ritteradel in dieser Zeit im Niedergang begriffen war, machten unzufriedene Ritter sich teils zu Anführern der Bauernhaufen. Bekannte Namen sind Florian Geyer, Anführer des Odenwälder Schwarzen Haufens oder Gottfried (Götz) von Berlichingen, der die Bauern allerdings gezwungenermaßen und nur kurz führte.
Die Bauernhaufen überfielen und zerstörten Burgen und brannten Klostergebäude nieder. Berüchtigt wurde die Weinsberger Bluttat an Ostern 1525 als ein Heer von 6000 Bauern Burg Weinsberg einnahm und abbrannte und den Grafen von Helfenstein zum Tode durch Spießrutenlaufen verurteilte. Die Fürsten und Herren wurden zunächst kalt erwischt und hatten der bäuerlichen Übermacht wenig entgegenzusetzen, so dass es vielerorts sogar Verhandlungen mit den Bauern gab, was aber größtenteils eine Hinhaltetaktik war. Der mächtige süddeutsche Adelsverband Schwäbischer Bund rüstete eine Truppe von 9000 Landsknechten und 1500 Panzerreitern unter Georg Truchsess von Waldburg-Zeil aus, der die süddeutschen Aufstände im April und Mai niederschlug.
Eine andere Qualität hatte der Bauernkrieg in Thüringen. Hier hatte sich ein rund 10.000 Mann starkes Bauernheer gebildet, zu dessen Führer sich der Theologe Thomas Müntzer aufschwang. Müntzer, Pfarrer in Mühlhausen und ursprünglich Anhänger Luthers, hatte sehr radikale Ideen von der Errichtung eines Gottesreiches auf Erden, mit völliger Gütergemeinschaft und Beseitigung jeglicher Obrigkeit - Ideen, die über die Zwölf Artikel weit hinausgingen und die er mit Hilfe der Bauernhaufen verwirklichen wollte. Doch ein vereinigtes Heer verschiedener Fürsten, angeführt vom hessischen Landgrafen Philipp und dem sächsischen Herzog Georg, schlug die Bauernarmee in der größten Schlacht des Bauernkriegs bei Frankenhausen am 14. und 15. Mai vernichtend. Müntzer wurde gefangengenommen, gefoltert und hingerichtet.
Wie stand Martin Luther zur Sache der Bauern? Man nimmt an, dass er zunächst gewisse Sympathien für ihre Bewegung hatte, zumindest hielt er sich lange Zeit zurück. Nach der Weinsberger Bluttat jedoch veröffentlichte er die Schrift "Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bawren", in der er sich deutlich von den Bauernaufständen distanzierte und die Fürsten aufrief, diese zu vernichten wie man einen tollen Hund erschlagen müsse. Diese drastischen Worte kamen zu einer Zeit heraus als die Niederlage der Bauern bereits absehbar war. Seine Haltung im Bauernkrieg hat Luther nicht zu Unrecht viel Kritik eingebracht, bis hin zu dem Vorwurf, er habe die Bauern zuerst aufgehetzt, um dann zu ihrer Abschlachtung aufzurufen. In diesem Punkt jedoch verkennt man Luther: schon lange vorher hatte er in seinen Schriften definiert, dass die Herrschaft Gottes und die weltliche Obrigkeit, der man Gehorsam schulde, zwei verschiedene Dinge seien. Auf Luthers Theologie konnten sich die Bauern berechtigterweise also nie berufen.
An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert erfuhren die Bauernkriege eine Würdigung im deutschen Schrift- und Liedgut. Das um 1900 entstandene neuromantische Gedicht "Bauernaufstand" von Börries Freiherr von Münchhausen beschreibt eine dramatisch von Sturm und Regen untermalte Bauernerhebung (bei der man sich fragt, ob ein Bauernhaufen in der Realität tatsächlich bei solchem Wetter losgezogen wäre) unter Führung eines Veit Stoßperg, bei der eine an einem Berghang gelegene Höhenburg, die Klingsburg, gestürmt und nach der Ermordung des Ritters niedergebrannt wird, untermalt von den Worten "Ja, Gnade dir Gott, du Ritterschaft!/Der Bauer stund auf im Lande/und tausendjährige Bauernkraft/ macht Schild und Schärpe zuschande!" Aus der Zeit um 1920 stammt das 13strophige Lied "Wir sind des Geyers schwarzer Haufen", das sowohl im Nationalsozialismus als später auch in der DDR für Propaganda genutzt wurde. Es beginnt mit den drastischen Worten: "Wir sind des Geyers schwarzer Haufen, heia hoho,/wir wollen mit Tyrannen raufen, heia hoho./Spieß voran, drauf und dran,/setzt aufs Klosterdach den roten Hahn!" Letzteres bezeichnet natürlich das Anzünden des Klosters; auch der Vers von Adam und Eva fehlt in den vielen Strophen des Liedes nicht.
In diesem Jahr gibt es mehrere Ausstellungsprojekte zum Thema Bauernkrieg: "Uffrur!" im Kloster Schussenried (Ba-Wü), "Gerechtigkeyt 1525" dezentral in Sachsen-Anhalt und "freiheyt 1525" in Mühlhausen/Bad Frankenhausen (Thüringen).
Benjamin Bork